Tag 37 – Fahrt nach Bangkok
Ein reiner Reisetag. Wir erreichen gegen 18 Uhr Bangkok und nehmen uns ein Zimmer im White Lodge Hotel am Siam Square für 700 Baht.
Karime will Pizza essen, eine super Idee in einem Land, in dem man weder Brot noch Käse isst. Nachdem wir eine Stunde jedes Stockwerk des 7-stöckigen MBK Einkaufscenters durchkämmt haben, jede Speisekarte eines jeden Restaurants mindestens einmal anschauen mussten, bevor sich Karime guten Gewissens entscheiden kann, landen wir letztendlich in einem Pizza Hut im obersten Stockwerk, und erhalten nach langer Wartezeit zwei winzige, überteuerte Pizzen. Karime wäre ein glückliches Kind im Realsozialismus gewesen. Entscheidungen treffen, unendliche Auswahl endlos zur Verfügung stehender Dinge, jederzeit käuflich – all das hat ihn schon viel Lebenszeit gekostet. Und mich, die so oft geduldig wartet, ebenfalls.
Tag 38 – Fahrt nach Chumphon
Mit der nagelneuen GoPro im Gepäck geht es am Morgen zum Bahnhof. In der Ubahn werden wir rausgezogen. Wir sind spät dran und ich nörgel den Sicherheitsmann voll, der unbeeindruckt Karime auffordert, seinen Rucksack auszupacken. Meine Stimmung ist gereizt. Als der Mann zwischen Unterhosen und T-Shirts unsere Hong Tong Whiskey Flasche entdeckt, lässt er uns direkt gehen. Ich muss unweigerlich an „Muslim Profiling“ denken. Um 7:59 erreichen wir den Bahnhof und haben noch 5 Minuten bis unser Zug abfährt. Ab zum Schalter. Die Zeiger klickt auf 8:00 und plötzlich steht alles still. Ich drehe mich langsam um und sehe junge Männer in Uniform hinter mir, schnurgerade aufgereiht, und plötzlich beginnt es. Ich denke, Mist, Nationalhymne. 3 Minuten stehen alle still und singen vor sich hin. Wir wippen mit dem Fuß. Der Zeiger klickt. 8:01. 8:02. 8:03. Endlich vorbei. Ich schmeiße dem Schaltermann meine Baht entgegen und rufe Chumphon. In letzter Sekunde springen wir in den Zug. 7 Stunden Fahrt liegen vor uns. Ein Klacks.
In Chumphon nehmen wir uns ein Zimmer über dem Fame Travel Büro. Es hat keine Fenster; die ganze Nacht lang rumpeln LKWs vorbei, und es ist so laut, dass ich Gewaltfantasien bekomme. Wir versuchen uns mit Whiskey fröhlich zu duseln, doch nachdem wir einen Becher über unserem Laken verschüttet haben, macht auch das keinen Spaß mehr. Ich wälze mich noch ein paar Stunden über die kaltnasse Matratze und wecke Karime um 5:00, weil ich endlich weg will. Der erste Bus geht um 7:00. Wir schmeißen unserer Hausdame den Schlüssel entgegen und machen uns aus dem Staub. Am Busbahnhof ist das Markttreiben bereits in vollem Gang. Ich besorge frittierte Bananen, Taro und Kartoffeln, Chips, Getränke und eine Tüte Algencracker, die Karime besonders eklig findet und die ich deshalb ganz für mich alleine habe. Im Bus geht es nun weiter nach Phuket.
Tag 39 – Phuket
Eine weitere endlos lange Busfahrt, die ich fast komplett verschlafe. Karime erzählt mir später von Moscheen und Ressorts, die sich am Küstenstreifen von Phuket abwechselten. Wie sind nun im Süden. Hier hat 2004 der Tsunami gewütet und tausende Menschenleben gefordert. Davon ist nichts mehr zu spüren. Tourismus hurray. Kein Platz für Trauer.
Auch Phuket bleibt für uns nur Zwischenstation. Wir wollen gleich am nächsten Tag weiter auf die Phi Phi Inseln. Karime will zum Maya Beach. Deshalb haben wir verlängert, deshalb haben wir auf gutes Wetter gewartet, dieser Ort ist für unsere Reise ein absolutes Muss. Phuket Stadt entpuppt sich wider Erwarten als schönes, gemütliches Nest. Häuser im sogenannten Sino-Kolonial-Stil, 2-stöckig, mit Gitterverkleidung, und schönen Balkonen, bunt und schön erhalten. Die chinesische Präsenz ist unübersehbar. Die Kunstszene, die kleinen Boutique Hotels und gemütlichen Kaffees machen Lust auf mehr. Phuket Stadt, das kann man schon mal machen.
Wir essen bei Markinny Mate, einem super gut gelaunten Koch, der in Australien ausgebildet wurde und dies mithilfe überdimensionaler Fotos an den Wänden an seine Gäste kommuniziert. Markinny Mate vor der Sidney Opera, im Restaurant, mit Kochmütze und mit Kollegen. Überall grinst uns der fröhliche Chef entgegen. Das Essen schmeckt hervorragend und so bestellen wir beide direkt zwei Portionen hintereinander weg und schlagen uns die ausgehungerten Bäuche voll. Wir haben gelernt, dass ein guter Griff bei der Restaurantauswahl ausgenutzt werden muss.
Wir spazieren anschließend durch die Stadt, vorbei an der großen Moschee und einer großen, verwaist wirkenden Kirche mit angrenzendem Friedhof und einem einzigen Grab; vermutlich das des erfolglosen Missionars. Im chinesischen Tempel läuft das Freitag-Open Air-Kino. Ein chinesischer Kong Fu Streifen, thailändisch synchronisiert. Etwa 20 Menschen im Rentenalter lümmeln auf Plastikstühlen im Hof und verfolgen konzentriert das Geschehen auf der Leinwand. Wir schlendern zum Hotel und werden plötzlich von einem Monsunschauer überrascht. Dicke Tropfen plätschern von den Markisen, unter welche wir uns geflüchtet haben. Wir genießen die kühle Brise und knabbern Chips.
Unser Hotel in der Thalang Road 37 ist mal wieder ein Fehlgriff und die Chefin eine blöde Kuh. In einem Moment geistiger Schwäche schaue ich hinter mein Bett und sehe eine große Kakerlake, die auf dem Rücken liegend langsam mit den Beinen strampelt und gerade dabei ist zu verrecken. Vermutlich von einer Chemikalie besprüht, die absolut nur Kakerlaken schadet und die für Menschen gänzlich ungefährlich ist. Klar. Ich verziehe mich auf ein anderes Bett und ekel mich die ganze Nacht. Karime hat einen göttlichen Schlaf. Wenn er müde ist, dann schläft er halt. Wenn ich müde bin, und meine Umgebung Schlaf eher mäßig bis gar nicht unterstützt, schlafe ich halt nicht, bekomme Zornfalten und Augenringe und will Dinge kaputt hauen. Ich übe mich in buddhistischer Gleichmütigkeit und denke an das ruhige Inselleben der nächsten Tage.
Tag 40 – Ko Phi Phi
Am Morgen geht es direkt ab zum Pier, und rauf auf das Boot zu den Phi Phi Inseln, eines von 5 Booten die gleichzeitig losfahren, voll bepackt mit bestimmt 1000 Menschen, Party-Menschen. Mit grüner Fake-Ray Ban-Sonnenbrille, Dorf Tattoos, dunkelrotem Sonnenbrand auf den Schultern, leicht angetrunken, und zwei Dosen Bier links und rechts in den Badeshorts. Im Unterdeck läuft Kino-Entertainment und die komplette Kurzfilm-Sammlung von Mister Bean.
Angekommen auf Ko Phi Phi quetschen wir uns in einer Menschenwalze über den Steg, entrichten 60 Baht Müllgebühr und stehen in Ton Sai Village, umschwärmt von hunderten Hotelvertretern, welche uns ihre Schilder ins Gesicht halten und zum Mitkommen auffordern. Diesmal haben wir sogar ein paar Bungalow-Optionen im Kopf, schauen auf die Karte und entdecken sie am oberen Rand des Dorfes, am Hügel, eher außerhalb des bemalten Stadtplans als innerhalb. Karime sagt: Das laufen wir aber nicht, oder? Ich sage: Sicher, und laufe los. Ton Sai liegt auf einem schmalen Streifen zwischen der Ost- und Westbucht von Ko Phi Phi. Vor 10 Jahren ist der Tsunami hier einfach drüber gerollt; ich denke lieber gar nicht darüber nach, wie viele Menschen noch immer vermisst werden. Nun ist das Dorf wieder aufgebaut, eine Spielwiese bespickt mit Tauchshops, Restaurants, Klamottenläden und Kneipen, ein Jahrmarkt des Hedonismus', Shoppingmeile am Tag, Partymoloch bei Nacht. Wir buchen uns den höchstgelegenen Bungalow des Uphill Bungalo Ressorts auf dem angrenzenden Hügel, finden unsere Dschungeldusche, die auf der Rückseite des Bungalows direkt in den Fels gemeißelt wurde total klasse und laufen los um die Wege zu erkunden, die uns so weit es geht von Ton Sai Village wegführen.
Da Ko Phi Phi kaum Straßen und noch weniger Autos hat, muss man entweder gut zu Fuß sein oder das Boottaxi nutzen. Da das Wasser sehr flach ist und Stege unendlich weit ins Meer gebaut werden müssten, wurden alle paar Meter lange, dicke Seile an den Stränden befestigt, an welchen sich die Bootsführer an Land ziehen können. Das ist zwar praktisch, doch die Seile verschandeln uns beiden Idyll-verwöhnten Orientalisten die Aussicht auf naturbelassene paradiesische Superstrände und so schlagen wir uns weiter durch Urwaldstraßen, über Landzungen und Felsvorsprünge hinweg, klettern Hügel rauf und wieder runter auf der Suche nach dem einsamen Strand unserer Träume. Am späten Nachmittag haben wir ihn plötzlich gefunden und sitzen (fast) ganz einsam im weißen Sand, schauen links und rechts, vorne und hinten und können es kaum glauben. Nur ein anderes Pärchen sitzt umschlungen im Wasser und hat die Hände da, wo wir sie nicht sehen können. Vermutlich wurden die anderen von den "Privat"-Schildern abgeschreckt. Weicheier. In Windeseile knoten wir unsere Klamottenbündel in einen Baum und laufen ins Meer. Fische schwimmen um unsere Knöchel, handgroße Krebse laufen im Seitwärtsschritt am Meeresboden vor uns her und vor unserer GoPro weg. Später in Deutschland werden wir diese Szenen mit Daftpunk's Lied "Lucky" unterlegen. Wir verbringen hier Stunden. Sitzen im Wasser und schauen hinaus auf's Meer. Karime läuft anschließend mit Schwimmbrille und gebeugtem Rücken durch's knietiefe Wasser, und steckt alle paar Sekunden seinen Kopf hinein. Ich sitze auf einer höllisch heißen schwarzen Boje, verbrenne mir den Hintern, lese mein inzwischen total abgelebtes Buch und lache mich halb tot wann immer ich aufblicke und Karime beobachte.
Auf unsere Landkarte entdecken wir einen Aussichtspunkt. Es wird der letzte Gewaltmarsch dieses Tages, fast zwei Stunden laufen wir durch Urwald, Bienen- und Mückenschwärme hinauf zum höchsten Punkt der Insel, eine ältere Dame knöpft uns 20 Baht "Eintritt" ab, und während Karime die letzten Sonnenstrahlen mit der Kamera einfängt, versuche ich, mit giftigem Spray bewaffnet, den aussichtslosen Kampf gegen die Mücken zu gewinnen.
Alle Entspannung ist plötzlich verflogen als Karime unsere Festplatte nicht mehr findet. Wir stellen den gesamten Bungalow auf den Kopf. Alle Fotos und Videos sind weg, vor allem auch Videos von Aktionen, die an der Illegalität nicht nur vorbeigeschrammt sind. Die Verbitterung über den Verlust mischt sich mit der Furcht, dass die Platte in falsche Hände gerät. Ich rufe dreimal in unserem Phuket Hotel an und mache mich sehr unbeliebt, da ich darauf bestehe, dass wir die Festplatte im Zimmer vergessen haben müssen, während die Managerin schwört, dass ihre Kolleginnen nichts gefunden haben. Wir klammern uns an letzte Hoffnungen, bereit zur ultimativen Konfrontation, und kaufen im letzten geöffneten Reisebüro des wilden Party-Dorfes zwei Schifffahrkarten zurück nach Phuket für den nächsten Morgen. Traurig und ungeduldig laufen wir ziellos durch feiernde Menschen und ohrenbetäubende Musik; Eimer mit Strohhalmen und schäumenden Wodka-Rum-Brause-Mischungen werden uns entgegengehalten. Doch Durst und Hunger sind uns vergangen, diese Nacht und die Warterei werden zur Qual. Wir beschließen alles zu packen um am nächsten Morgen keine Zeit zu verlieren.
Als Karime in seine Schuhe schlüpft, stößt er sich den Zeh. Im Schuh steckt die verschwundenen Festplatte- die er erst diebstahlsicher versteckte und anschließend komplett vergessen hatte. Ich schreie aus Wut und Erleichterung, reiße ihm den Schuh aus den Händen und werfe ihn direkt zurück in seine Arme, da er nun dafür die drei Kakerlaken beseitigen darf, die gerade an den Wänden unserer Dschungeldusche entlangkriechen. Und die Kakerlake, die, offenbar angelockt vom meinem Freudenschrei, gerade neugierig unter unserer Türschwelle hindurchkriecht. Ich ekel mich augenblicklich fast zu Tode und verlasse den Bungalow. Wir sprinten runter ins Dorf und belabern unsere immer noch arbeitende Reisebüroagentin so lange mit unserer bekloppten Geschichte, bis sie aus Mitleid die Tickets zurücknimmt.
Adrenalinaufgepumpt bis unter die Haarwurzeln gehen wir anschließend zur Tai Boxing Nacht in die nächste Kneipe, trinken Leo Bier und feuern die russischen Boxer an, die gerade im Ring ein paar Deutsche und Norweger vermöbeln. Vom Strand dröhnt laute Technomusik, besoffene Amis springen zum Takt durch die Tattooshops, während die Tätowierer versuchen, die Nadel auf den Ärschen ihrer Freunde gerade zu halten. Die Bässe der Stranddisko vibrieren noch die ganze Nacht durch unseren Bungalow, der zwar so schön weit weg, aber dafür genau in der Schneise liegt, wo die Technobeats voller Wucht gegen den Hügel knallen. Wir beschließen am Morgen umzuziehen. Unsere Kakerlaken sitzen weiterhin unterm Bett.
Tag 41 – Ko Phi Phi
Im Tapear Ressort, nur eine Ecke weiter, finden wir am nächsten Morgen ein sauberes, modernes Zimmer mit Balkon und Air Conditioning für 800 Baht. Wir leihen uns ein Kajak und paddeln zu einer Bucht, welche uns gestern von einem Tauchshop als Schnorchelparadies empfohlen wurde. Die See ist hier ungemein rauer als um das beschauliche Ko Mak herum. Wir kämpfen uns durch Wellen, schlängeln uns durch scharfkantige Felsformationen, widerstehen den Druckwellen der Schnellboote, die uns immer wieder kreuzen und erreichen schließlich die kleine Bucht im Norden der Insel. Hier gibt es eine wilde Bar, eine Höhle, in der ein junger gelangweilter Typ ein paar Getränke und Snacks verkauft. Wir ziehen das Kajak an Land und springen sogleich mit Schnorchel und Brille zurück ins Wasser. Fast bewegungslos gleiten wir mit dem Gesicht nach unten durch die bezaubernde Fischwelt; ich nehme mir vor nie wieder Fernsehen zu gucken und nur noch zu reisen.
Zurück am Ufer stürzt sich gerad ein Affe auf die Essensvorräte unserer Strandnachbarn. Zielsicher schnappt er sich die Tüte, faucht aggressiv dem verdutzten Österreicher ins Gesicht, durchwühlt den Inhalt und entscheidet sich für die Haribo Gummibärchen, welche er anschließend in sicherer Klippenhöhe verspeist. Komplett, bis die Tüte leer ist. Wir wünschen ihm, dass er die bevorstehenden Bauchschmerzen wohl übersteht und begeben uns auf den Rückweg. Mit Boxernacken und Stahlarmen erreichen wir schließlich den Strand, oder das, was die Ebbe davon übriggelassen hat, und ziehen das geliehene Kajak durch den Matsch, vorbei an den feststeckenden Kajaks von weniger gewissenhaften Touris, die entweder noch besoffenen in ihren Booten sitzen oder bereits über alle Berge sind.
Am Abend essen wir beim örtlichen indischen Restaurant zwei so schlechte Gerichte, dass wir, als ungemein erfahrene Indisch-Esser, mit Koch und Manager in einen Streit geraten, dem sich sogleich eine ebenfalls unzufriedene 10-köpfige Israelische Gruppe anschließt. Seit Wochen sind wir davon abhängig, dass andere Menschen uns ein leckeres, nicht verdorbenes, möglichst gut verträgliches Gericht kochen, und sind daher inzwischen schnell gereizt, wenn wir uns verarscht oder schlecht bekocht fühlen. Noch in den folgenden Tagen macht es uns einen riesen Spaß am Restaurant vorbeizugehen und dem Manager unsere bösesten Blicke entgegenzuwerfen.
Tag 42 – Ko Phi Phi
Ich bin so glücklich mit unserem Zimmer, dass ich Karime allein losziehen lasse und es mir mit meinem Laptop auf dem Balkon gemütlich mache. Am Nachmittag treffen wir uns am geheimen Strand. Als ich ankomme, läuft Karime gerad wieder wie ein krummer Opi durch's Wasser und steckt den Kopf hinein. Am Abend futtern wir uns durch die Strandmeile, essen öltriefende Pizza, Rootee Eierkuchen mit Nutella und Banane, und tauchen ein ins Partyleben von Slinky's Strandbar, beobachten die schwitzenden, betrunkenen Horden, die übermütig durch Feuerringe am Strand springen und sich dabei die Hosen verkokeln, die aufgedrehten Feiertouris, die auf den Landzungen im Ebbe-Meer weitertanzen, und vielleicht gar nicht merken, wenn einer ihrer Freunde noch dort liegt, wenn du Flut längst wieder am Ufer emporkriecht. Wir fühlen uns so abgeklärt und denken zurück an Ko Chang, unsere Rucksack-, Bustramp- und Reggae-Freunde, die am Lagerfeuer Geschichten von Pannen in der Kasachischen Steppe erzählten, von Kambodschanischen Höllentrips, Schmuggelaktionen, burmesischen Bananenblattzigarren; wir denken an Totti und Philipp und wo sie wohl gerade sind in diesem Moment und schauen auf die betrunkene Meute und fühlen uns so fremd. Das ist ihre Insel. Unsere Reise geht woanders weiter. Morgen noch Maya Beach, der letzte Tag auf Ko Phi Phi.
Tag 43 Ko Phi Phi Ley – Maya Beach
Am frühen Nachmittag schaukeln wir mit circa 15 anderen Touris in einem Holzboot Richtung Maya Beach. Der Tagestrip hat nur 400 Baht gekostet, also nicht einmal 10 Euro pro Person und beinhaltet ein Mittagessen, Obst und Getränke. Unterwegs halten wir am Monkey Beach, was man sich auch getrost klemmen, aber nicht aussuchen kann. Monkey Beach ist ein unspektakulärer Streifen Sand, an dem ein paar dickbäuchige Makaken sitzen, welche den ganzen Tag von Touristen mit Bananen, Crackern und Möhren gefüttert werden. Man weiß nicht, wer hier eigentlich wen beglotzt. Ich stelle mir vor, dass oben an der Klippe irgendein geschäftstüchtiger großer Affe mit extra rotem Arsch Eintritt von allen anderen Affen nimmt. Für ein "All you can eat" Buffet quasi. Am Nachmittag ist der Großteil der Affen jedenfalls gesättigt und schielt gelangweilt auf die aufgeregten Touris, die mit Bananen wedeln, als hätten sie sie erfunden. Als nächsten werden wir in einer Bucht zum Planschen und Schwimmen von Bord gelassen. Etwa 4 andere Holzboote tummeln sich zur selben Zeit hier. Der erste Eindruck einer paradiesischen, azurblauen Bucht wird schnell getrübt, als ich durch unzählige Mengen schmierigen Plastikmülls gleite, noch klein genug um das Postkartenbild nicht zu verschandeln, doch groß genug um kleine Fischmägen zu verstopfen. Sollte es wirklich sanften Tourismus geben, so sind wir momentan wohl kein Teil davon.
In der nächsten Bucht gibt es dann sogar Fische, und so dürfen wir wieder ins Wasser hopsen und schnorcheln. Brille und Schnorchel bekommen wir natürlich gestellt. Ich verbanne meinen Gutmensch aus dem Hinterkopf und widme mich unseren sympathisch-gröhligen Bootskumpanen aus England, die schon mit Bierflasche einstiegen und den Spaßfaktor minütlich steigern. Schließlich erreichen wir gegen 16:00 Maya Beach. Das verlockende "Sonnenuntergang"-Versprechen bezog sich wohl nicht auf den berühmten Strand aus dem Hollywood Knaller "The Beach", denn der liegt inzwischen im Schatten. Auf der Rückseite der Insel ragt ein urwaldüberzogener Felsen aus dem Meer. Sein Anblick lässt mich für einen Moment alle Tourismuskritik vergessen. Der wuchernde Dschungel leuchtet in der tiefen Nachmittagssonne in seinen sattesten Grüntönen, die Korallenriffe und bunten Fischschwärme schimmern im Meer, in meinem Kopf springt das Serotonin im Quadrat. Euphorisch überreden ich und ein paar andere Hyperaktive den Bootsmann noch einmal an einem Schnorchelgrund anzuhalten. Ich springe rein und filme unzählige blaue Dory-Fische für meine Mama. Es ist unser letzter Abend auf den Ko Phi Phi Inseln.
Tag 44 /45 – Phuket
Zurück in Phuket Stadt. Im Songthew Taxi sitzen zwei komplett abgebrannte Iren, seit zwei Jahren unterwegs in der Welt, etwas müde gereist und nun komplett blank. Sie buchten den erstbesten billigen Flug. Nach Oslo. Von dort aus mit dem Billigflieger nach Dublin. Dummerweise ist der Billigfliegerflughafen 95 km außerhalb Oslos. Die beiden haben gerade ihre letzten Scheine in ein Busticket nach Bangkok investiert. Sie tun mir ganz kurz leid, aber dann denke ich, das gehört dazu, das ist das letzte große Abenteuer, wenn sie erst mal zu Hause sind, ist das eine super Geschichte.
Es fühlt sich gut an in eine Stadt zurückzukehren, welche man schon ein wenig kennt, schreibe ich in mein Tagebuch. Wir gehen wieder zu Markinny Mate und schlagen uns die Bäuche voll. Wir checken ins Old Town Hostel ein und bekommen ein Zimmer, dass unser altes Phuket Domizil nur sehr geringfügig an Komfort und Sauberkeit überbietet, da keine (sichtbare) tote Kakerlake rumliegt. Aber das ist nun auch nicht mehr so wichtig. Ich laufe nachts noch einmal los und hole 2 Kombi Bus-Bootsfahrkarten nach Ko Samui.
Die Tausend Baht für die Tickets plätschern mitten in der Nacht ins Klo. Karime hat Durchfall. Um 7:00 klingel ich die Dame aus dem Reisebüro wach und frage nach einem Klo an Board des Busses, der uns zum Boot kutschieren soll. Negativ. Karime bleibt im Bett und ich versuche dem ungläubig guckenden Busfahrer, der Minuten später wie verabredet vor unserer Tür steht, pantomimisch Durchfall zu erklären. Nach 5 Minuten wilden Gestikulierens fährt er missmutig davon.
Jetzt finden wir das stickige, laute Hotel und unser dunkles, fensterloses Zimmer, das eher einer Gefängniszelle ähnelt, doch nicht mehr so egal.
Bepackt mit Stadtplan und Hotelverzeichnis klappere ich in den nächsten Stunden sämtliche Hotels unserer Preisklasse ab, lass mir Zimmer zeigen und verhandele Preise. Die Ausbeute ist eher schlecht. Das beste Zimmer liegt in einem modernen, schön eingerichteten Hotel an der Hauptstraße direkt neben dem Busbahnhof. Doch aus dem ersten Stock dröhnt das Gehämmere eines Presslufthammers. Die Rezeptionistin sagt, es handele sich nur um eine kleine Reparatur und sei in 30 Minuten erledigt. Mmm, klar, denke ich, bei kleinen Reparaturen bring ich auch immer direkt meinen Presslufthammer mit.
Karime findet die Option umzuziehen inzwischen genauso prickelnd wie seinen Durchfall. Ich besorge Bananen, Salzstangen, Tee und Suppen und lasse ihn schlafen.
Plötzlich habe ich einen Tag für mich und so spaziere ich gut gelaunt hinaus in die Straßen der Stadt. Es ist nicht viel los, die wenigen Touristen, die hier landen, sitzen entweder schon auf dem Boot, welches wir auch nehmen wollten, oder sind noch auf dem Weg hierher. Mein bekritzelter Stadtplan führt mich zuerst zu einem alten Chinesischen Tempel in einen Innenhof, der entweder Konfuzius oder dem Taoismus gewidmet ist. Ich hab's vergessen; jedenfalls war er alt und lag versteckt in diesem kleinen Hof, ich sah ein paar bemalte Wände, eine Statue, ein buntes Giebeldach und einen alten Herren und verschwand nach nicht mal einer Minute wieder. Anschließen laufe ich nach Norden. Ein Sikh-Tempel ist diesmal mein Ziel. Er ist wesentlich neuer, ein modernes Haus ein bisschen auf Indisch getrimmt mit geschwungenen Bögen als Eingang. Die Sikh Tempel sollen laut Wikipedia offen sein für jedermann. Vor der Tür steht ein großer Mann mit Turban und wachsamen Augen. Ich fühle mich nicht unbedingt eingeladen und trolle mich.
Meine letzte Station soll die Kunststraße der Stadt werden. Ich laufe vorbei am Hotel On On, in welchem die erste Szene von „The Beach“ gedreht wurde, als dieser verrückte Typ plötzlich seinen Kopf über die Wand und in das Zimmer des erschrockenen Leo Di Caprios steckt, ihm von dieser wilden, geheimnisvollen Insel erzählt und Leo anschließend mit einer Karte bewaffnet sein Abenteuer beginnt. In der Phang Nga Straße stöbere ich durch die Galerien und verliebe mich in zwei Bilder, die ich unbedingt erstehen möchte. Ich hole Geld, Karime schläft noch immer. Das erste Bild ist eine bunte Zeichnung einer französischen Bulldogge, auf Canvas, die abgerissen und auf ein Schachbrett gepinnt wurde, das auf eine Pappe gemalt wurde. Der Künstler selbst ist weniger emotional an sein Werk gebunden, und reist kurzerhand die Leinen von der Pappe runter um sie mir handlich zu packen. Ich schreie vor Bestürzung und tippe wild auf die Pappe. Mich argwöhnisch betrachtend greift er nach der Heftklammer und tackert alles wieder fest. Jetzt sieht es richtig unedel aus. Ich habe wirklich keine Ahnung von Kunst, doch ich find's geil. Lass mir das Werk in Plastikfolie einwickeln und stapfe zufrieden weiter. Der zweite Künstler lässt mich nicht so einfach davonkommen. Ich will einen Holzschnittdruck für meine Eltern erwerben, ein Portrait von Picasso, der genüsslich eine Zigarette raucht. Auf Canvas, aufgezogen auf einen Rahmen. Die Augen sind großartig. Doch bevor ich meinen Picasso mitnehmen darf, zieht mich der Künstler in sein Atelier gleich nebenan. In der nächsten Stunde muss ich mir auf den Knien hockend die Geschichte eines jeden Bildes erzählen lassen. Die Geschichte der großen thailändischen Künstler, Gelehrten, Schriftsteller, die Geschichte hinter dem Bild von Frida Kahlo; ich betrachte die mannshohen Kunstwerke an der Wand, philosophiere über Kunst und Dinge, von denen ich wirklich gar nichts verstehe. Die Frau des Malers und seine Tochter springen dabei aufgeregt um mich herum. Ich frage mich, wann wohl das letzte Mal jemand hier ein Bild gekauft hat. Auch mein Werk wird letztendlich in Luftpolsterfolie verpackt und ist nun fit für die letzten zwei Wochen unserer Reise.
Karime geht es besser. Wir besorgen uns neue Tickets und wagen einen zweiten Versuch. Abends bekomme ich furchtbare Halsschmerzen.