Tag 46 – Phuket – Ko Samui
Um 9 Uhr geht es mit dem Bus zur Fähre. Meine Lymphknoten sind groß wie Tischtennisbälle. Der Busfahrer sagt uns, wir könnten unser Gepäck im Bus lassen, schon einmal auf die Fähre gehen, er komme nach. Fünf Minuten später stehen wir an Deck und betrachten unseren Bus, welcher immer noch in einer langen Schlange auf dem Parkplatz feststeckt. Karime erwähnt so nebenbei, dass die Einfahrt der Fähre doch eigentlich viel zu flach für einen Bus sei. Schweigend starren wir auf die Autowalze aus PKWs, der Affe im Kopf trommelt diesen stumpfen Rhythmus: Bus passt nicht rein, Gepäck im Bus, Bus passt nicht rein, Gepäck im Bus.“ Plötzlich entdecken wir unsere Busnachbarn auf der Fähre nebenan. Sie sehen uns auch. Sie winken. Wir denken, ach du scheiße, und rennen 1, 2, 3, 4 Decks hinunter, rüber zu Rampe, schlängeln uns durch Autos hindurch, an den Aufpassern vorbei, springen über eine Absperrung und rauf auf die andere Fähre. Unser Bus steht immer noch kaum sichtbar hinten auf dem Parkplatz. Unsere Busnachbarn erzählen uns, dass der Fahrer alle auf die falsche Fähre, die PKW Fähre, geschickt hat, eine in welche er nicht reinpasst, und nun würden wohl alle ohne ihr Gepäck abfahren, nur wir seien auf der richtigen Fähre, die aber leider viel später abfahre. Viel später klingt in unseren Ohren nach Mist. Wir schauen uns kurz schweigend an. Schnell verabschieden wir uns höflich, rennen wieder alle Decks hinunter, springen erneut über die Absperrung, zwängen uns durch das Drehkreuz, rennen zum Bus, schimpfen kurz mit dem Fahrer bis er uns unser Gepäck rausrückt, sprinten zurück, über das Drehkreuz, an unserer designierten Fähre vorbei, auf die ursprüngliche Fähre. Nach viel Armgewedele lässt man uns schließlich als Letzte noch an Board. Auf Deck sehen wir rüber zu unseren Busfreunden. Sie schauen uns an und lachen. Geschafft. Wir winken uns gegenseitig zu und verlassen das Festland Richtung Ko Samui.
Die Fähre ist ein riesiges, schaukelndes Metallmonster mit 4 Decks und unzähligen kotzenden und würgenden Mitfahrern. Das Meer ist sehr unruhig, die Wellen schlagen hoch an den Bug. Mein Mandelschmerz krabbelt mir langsam ins Ohr. Wir bekommen das Gefühl, dass unser romantischer Teil der Reise, die Reise der kleinen Inseln, Holzbötchen und Kajaks, der Bungalows und einsamen Strände wohl vorerst vorbei ist.
Auf Ko Samui finden wir schnell ein Taxi und durchkreuzen in 40 Minuten das Innere der Insel, ihren Smog und ihren Dreck, als würden alle Strandresorts jeden Abend den Besen rausholen und all den Unrat Richtung Inselmitte kehren. Unser Ziel, die Ostseite, empfängt uns überfüllt und brüllig. Wir merken schnell, dass wir hier nicht einmal unsere Techno-Rucksack-Touris finden werden. Das hier ist Malle für Südostasienliebhaber. Exotisch, trotzdem noch erschwinglich, mit GoGo Bars und deutschen Bierkneipen. Unser Hotel am Lamai Beach heißt dann auch Utopia Resort und kostet stolze 1000 Baht. Doch es ist sauber, hat richtige Fenster, und keine Tierchen als Mitbewohner. Am Strand hocken Rentner, mittelalterliche Ehepaare, Familien, vor allem Deutsche, Russen und ein paar Franzosen. Am späten Abend essen wir auf dem Nachtmarkt, gleich neben einer riesigen Open Air Go Go Kneipe. Da sind sie wieder, die Pattaya Fratzen Männer. Wir haben sie nicht vermisst.
Meine Mandeln melden Action-Urlaub an und möchten meinen Hals gern durch die Ohren verlassen.
Tag 47 – Ko Samui
Mein Vormittag gehört dem Strandstuhl. Ich wäre nicht ich, wenn mir das nicht schnell langweilig würde. Nachdem ich alle Tribal-Tattoos meiner bayrischen Mittvierziger-Hotelnachbarn fertig studiert habe, zum dritten Mal ihre Abenteuer Geschichten von Killerquallen und Motorradtrips hören und ernüchtert die Kajakpreise hinnehmen musste, beschließen wir doch ein wenig die Insel zu erkunden, bevor wir morgen abreisen. Also schwinge ich mir meine Mandeln um die Schultern, schlüpfe in die Flipsflops und winke ein Songthow Taxi heran, das uns zum Chaweng Beach fährt. Im Minibus sitzen eine recht füllige Mutter und ihre drei Kinder. Die hyperaktive Frau, die noch weniger Plan von der Insel hat als wir, und schnell feststellt, dass sie im falschen Taxi sitzt, trägt eine prall gefüllte Reisetasche mit sich herum, welche sie zum örtlichen Tierheim bringen möchte. Sie kommt aus Südafrika. Sie ist aus Südafrika nach Ko Samui gekommen um Hundenahrung und Medikamente an ein Tierheim zu spenden. Ihre Kinder schauen starr aus dem Fenster. „Ich – hab – keinen – Bock – auf – meine - verrückte – Mutter“, schreit es aus ihren Augen. Mit hochrotem, schwitzenden Gesicht schenkt uns die Frau ihr breitestes, herzallerliebstes Lächeln als sie an der nächste Straßenecke zuerst ihre 20 Kilo Dosenfutter, dann ihre 3 Kinder und anschließend ihren Wärme strahlenden 150 kg Mamakörper von Board schwingt. Wir wünschen alles Gute und düsen weiter.
Es gibt wirklich einige wunderschöne Resorts auf Ko Samui. Hochmodern, doch mit dem Flair einer buddhistischen Klosteranlage, ruhig, mit klingenden Windspielen in den Palmen, hellen, schön verzierten Bungalows mit großen Fenstern, Terrassen, auf denen Hängematten und Traumfänger baumeln und Strandstühle mit Cocktailhaltern. Im Norden der Insel gibt es eine Minigolfanlage mit unverschämten Preisen und noch unverschämtere Taxifahrer. Wer hierherkommt, verlässt sein Resort normalerweise 2 Wochen lang nicht. Wir langweilen uns mächtig. Nach einem Gewaltmarsch landen wir schließlich am Chong Moen Beach, dem nordöstlichsten Strand der Insel, der ganztägig komplett im Schatten liegt und einen schönen Blick auf die raue, wilde See erlaubt. Bei Ebbe kann man hier zu einigen Landzungen und Inseln herüberlaufen, doch das Wasser ist kalt und wir sind verwöhnt.
Ich halte etwa 15 Minuten meinen Daumen in den Wind. Ein Thailänder sammelt uns ein und ist augenblicklich verliebt in Karime. Er ist auf dem Weg in den Süden der Insel um den Sonnenuntergang zu fotografieren. Ein Handelsvertreter aus Phuket ohne Freunde hier auf der Insel, ebenso gelangweilt von Ko Samui wie wir. Und ein Amateurfotograf. Aufgeregt verwickelt er Karime in ein hitziges Fachgespräch. Ich sitze auf der Rückbank und werde komplett ignoriert. Auch meine Einwände, dass wir doch schon am Lamaibeach vorbeigefahren seien. Schließlich merkt es auch unser neuer Chauffeur. Um seinen Sonnenuntergang nicht zu verpassen, lässt er uns einfach irgendwo am Strand raus und wir laufen eine halbe Stunde lang strandaufwärts zurück zum Hotel, vorbei an den Bars und Restaurants, welche ihre Feuershows vorbereiten, vorbei an unzähligen kläffenden Hunden, betrunkenen Touris und genervten Einheimischen und dem einzigen Privathaus, welches eingezäunt, wie eine Bastion am Strand steht, zwischen all den Hotels und Ressorts und wir wünschen uns, dass die Besitzer standhaft bleiben, bei vollem Bewusstsein, dass wir selber Teil des Problems sind.
Der Nachtmarkt und der Pizzastand werden unser Abendprogramm. Wir bleiben bis 2 Uhr wach und sehen in einer Kneipe wie Dortmund 3 Punkte an Hertha abgibt. Neben uns gabeln käsige Männer Thai Frauen auf.
Müde und fiebrig falle ich ins Bett.
Tag 48 – Ko Tao
Ich kotze vier mal. Liege bei Karime auf dem Schoß, hefte den Blick auf die Wellen und lege den Kopf auf die verschränkte Arme. Vor Kraftlosigkeit entgleiten mir alle Gesichtszüge. Karime wechselt tapfer die vollgebrochenen Tüten gegen frische. Drei Stunden dauert die Horrorfahrt von Ko Samui nach Ko Tao.
Als wir ankommen stürzen sich die Taxifahrer auf uns wie ausgehungerte Hyänen. Ich brauche einen Tee und schleppe mich ins nächste Restaurant. Der Tee landet in der fünften Tüte.
Im Dorf übernimmt Karime die Führung. Mir ist immer noch schlecht. Wir finden einen teuren, aber zur Verfügung stehenden Bungalow. Neben einer Baustelle. Es ist kurz vor Weihnachten.
Am späten Nachmittag klappern wir alle Hotels der Insel ab und suchen nach einem etwas schickeren Weihnachtsdomizil. Das Ban's Diver hat es uns angetan. Man zeigt uns ein Zimmer mit großem Balkon, riesigem Bett, Flachbildfernseher, glänzend weißem Bad. Auf dem Balkon blinkt ein Router. Das wichtigste für meinen Heiligabend ist eine starke Internetverbindung, denn ich schulde meinen Eltern ein langes Skypegespräch. Weil wir bekloppt sind, müssen wir natürlich, bevor wir uns für dieses Zimmer entscheiden, noch alle weiteren Hotels in Strandnähe checken. Schließlich sind 2500 Baht pro Nacht kein Zuckerschlecken für unsere schmal gewordene Reisekasse. Wir betrachten also Zimmer mit Blick auf Baustellen, Bungalows mit kniehohen Schimmelrändern an den Wänden, Fensterecken voller Mückennester und Hütten neben Güllelöchern, die so riechen, als wären sie direkt in die Klärgrube reingebaut worden. 2500 Baht, das klingt gar nicht so schlecht.
Minuten später will ich Karime und mir selbst meine Mandeln um die Ohren hauen, denn das Zimmer ist weg. Vermutlich gucken wir so niedergeschmettert, dass die Rezeptionistin ein Erbarmen hat und uns von einer Villa hoch auf dem Hügel neben dem Strandressort erzählt. Zwar gäbe es keinen Strand vor der Haustür, doch dafür einen unvergleichlichen Blick über die Insel. Ein Junge fährt uns in einem Pick Up auf den Hügel. Er ist zu cool um auch nur ein Wort mit uns zu reden, parkt stattdessen einarmig den Pick Up um, und trottet mit dem Schlüssel in der Hand die Treppen hoch vorbei an einer weißgetünchten, nagelneuen Villa nach der anderen, hoch zur letzten Villa des Hügels. Wir erklimmen die Holzterrasse, schieben die Glastür auf und die Glückshormone schwingen sich an meinen hängenden Mandeln von Ohr zu Ohr. Die Suite ist lichtdurchflutet von der Abendsonne, auf dem schneeweißen Himmelbett sitzen zwei zu Schwänen geformte Handtücher, an der Wand hängt eine bunte, gemalte Landschaft. Es gibt eine offene Küche mit Wasserkocher und Teebeuteln, ein hell gefliestes, vielleicht noch niemals zuvor genutztes Bad, einen großen Fernseher, Korbstühle und ein einladendes Sofa mit Couchtisch, mein Weihnachts-Skype-Büro. Mit feuchten Augen fahren wir runter ins Büro, werfen der Frau unsere Anzahlung entgegen und belagern sie so lange, bis sie den Schlüssel vor unseren großen Augen in einer Schublade versteckt, so dass uns auch ja niemand diese Suite mehr wegnimmt. Wir buchen sie für zwei Nächte, ab morgen, und müssen so nur noch eine Nacht in unserem ollen Budget-Bungalow verbringen. Ich bette meine Mandeln links und rechts neben meinen Kopf auf die Kissen, Karime holt Burger.
Tag 49 – Ko Tao
Ich sitze in unserem Penthouse. Das Bett ruft meinen Namen; dicke, große, plüschige Kissen mit breitem Grinsen und Weihnachtsmannzipfelmützen. Die Mützen haben wir gestern in einem kleinen Shop erstanden; ich setze sie den Schwänen auf die Köpfchen und schiebe die Rucksäcke in die Ecke. Dieses Penthouse ist jetzt unser Zuhause. Zumindest bis zum ersten Weihnachtsfeiertag. Wir kaufen noch ein paar Snacks, frische Milch, Cornflakes. Dann verschwinde ich in mein Kissenland. Im Fernseher läuft ein Kinofilm nach dem anderen auf Lotus Macao. Karime läuft durch das Dorf, besorgt die erste Staffel der Serie „The Big Bang Theory“ und Pad Thai, das einzige Gericht, auf das ich Lust habe. Ich starre abwechselnd auf den TV-Bildschirm und die Temperaturanzeige meines Fieberthermometers. Am Nachmittag brutzel ich bei knapp 39 Grad vor mich hin. Inzwischen habe ich auf gar nichts mehr Lust. Nicht auf Fernsehen, Lesen, Nachdenken, aus dem Fenster Gucken, nicht einmal auf Schlafen hab ich Bock. Ich hab auf gar nichts Bock. Brenne nur so vor mich hin, meine Nase verstopft sich, beim Atmen pocht die Brust. Auf der Mattscheibe flimmert Fußball, ich döse weg, denke, dass auf gar nichts Bock zu haben noch schlimmer ist, als etwas Unsinniges zu tun. Bewege mich nicht, meine glühenden Augäpfel liegen schwer in meinem Kopf. Gar keinen Bock, null.
Tag 50 – Ko Tao
In Deutschland liegt Schnee und in meinem Kopf scheint die Sonne bei 38,7 Grad. Mein dritter Fiebertag. Ich bekomme normalerweise nie Fieber. Ich will nicht zum Doktor, schaue TV. Um 12 Uhr brenne ich noch immer. Also stapfe ich am Heiligabend unseren Hügel hinunter, runter zur Dorfklinik. Es ist Mittagspause. Fühle mich elend, habe Tränen in den Augen und schlucke sie schnell runter. Ein mit dem Roller verunglücktes skandinavisches Pärchen wird mit schlimmen Schürfwunden eingeliefert und sitzt in stumpfem Schock neben mir auf der Plastikbank. Komischerweise baut mich das auf. Mein Fieber suppt wenigstens nicht aus einer Fleischwunde. Mein Mitleid lenkt mich ab.
Dann bin ich dran. Die nette Ärztin zapft mir Blut ab und macht 2 Kreuze auf dem Laborzettel; eines vor Malaria und eines vor Denguefieber. Sie beruhigt mich. Ist bestimmt kein Malaria. Ist eher Dengue Fieber. Ich finde, das klingt nicht gerade besser, doch noch weniger spitze finde ich, dass unsere Insel kein eigenes Labor hat, die Krankenschwester mir stattdessen einen Umschlag mit meinem Blutröhrchen in die Hand drückt und mich bittet, dieses zur nächsten Klinik zu bringen. Von dort wird es in einer halben Stunde mit dem Schiff nach Ko Samui gefahren. Das Ergebnis bekomme ich morgen. Bepackt mit Medikamenten schlurfe ich wieder hoch in unsere Suite.
Noch immer habe ich auf wenig Lust. Auch essen macht mir keinen Spaß. Wir rufen meine Eltern an, telefonieren eine Stunde. Ich verschweige meinen Virus, auch, dass ich mehrmals während unseres Telefonats ins Bad verschwinde, da ich inzwischen halbstündig Durchfall habe. Ich bin sehr traurig und wäre gern zu Hause, in die Decke gemummelt auf der grünen Couch im Wohnzimmer bei Mama und Papa. Schlucke meine Tränen weg und kuschel mich stattdessen in unsere schneeweiße Hotelbettwäsche.
Karime sagt plötzlich in sehr nüchternem, bestimmten Tonfall, ich solle mal kurz auf seine Seite rutschen. Ich rieche den Braten sofort und schiele in seine Blickrichtung. Eine handtellergroße, flauschige Spinne läuft munter an unserer Zimmerdecke entlang und verschwindet unter der Deckenlampe. Glücklicherweise trage ich meine alte Brille. So erkenne ich nicht, dass flauschig nicht gleichzeitig niedlich bedeutet. Karimes hunderprozentige Sehstärke verleitet ihn zu einem kräftigen Schütteln. Ich rufe die Rezeption an. Es ist 23:00. 10 Minuten später klopft eine zierliche Dame und macht sich sogleich mit Staubwedel und Insektenspray an unserer Lampe zu schaffen. Die betäubte Spinne fällt Sekunden später auf ihre Schulter. Ja, auch eine thailändische Inselbewohnerin hat eine Ekelgrenze und so entfährt ihr ein kurzer Panikschrei während sie hektisch an ihrer Kleidung rupft. Die Spinne, nun auf dem Fußboden, wird anschließend ganz professionell weggefegt und in unserem Vorgarten entsorgt. Ich überlege kurz, ob sie eventuell nicht tot sein könnte und sich nachts an mir rächen wird. Wir bedanken uns sehr überschwänglich, Karime googlet vor dem Schlafengehen noch den lateinischen Namen des orange-gelben Ungetüms während ich zu den flimmernden Bildern von Lotus Macao langsam wegdöse.
Tag 51 – Ko Tao
Kein Denguefieber, auch kein Malaria. Na, wenn das kein Weihnachtsgeschenk ist. Ein grippaler Virus hat sich in meiner Brust festgehakt, doch das geht vorbei. Wir packen die Sachen und verlassen unsere schöne Villa. Wir wollen noch einen Tag länger bleiben, da mein Körper noch keine Lust auf Schaukelschiffe hat. Also geht das Wettrennen um die billigen Zimmer von neuem los. Wir buchen uns eine Gefängniszelle ohne Fenster für 500 Baht.
Den Nachmittag verbringen wir am Strand, welcher seinen Namen leider nicht ganz verdient, es ist eher ein schmaler Streifen Sand. Die Ostseite von Ko Tao ist mit Bungalows übersät, also quetschen sich viele Menschen auf kleine Strandabschnitte. Fast jeder ist hier um einen Tauchlehrgang in einem der Diveressorts zu absolvieren. Wir haben jedoch ein halbwegs idyllisches Plätzchen unter einem Baum gefunden und genießen die Sonne so sehr, dass wir zunächst nicht merken, dass unser Bäumchen von weißen, plüschigen Raupen überfallen wurde, welche ihm nach und nach alle Blätter wegfuttern. Und ab und zu auf uns drauf fallen -um dort munter ihrem Instinkt folgend weiterzuknabbern. Noch Monate später habe ich kleine rote, immer mal wieder juckende Flecken an Armen, Bauch und Oberschenkel. Thailands Insekten und ich, wir werden keine Freunde mehr. Bei Sonnenuntergang entdecken wir eine abgeknickte und dann horizontal zum Wasser gewachsene Palme und robben auf ihr herum, schießen Bilder, filmen ein Weihnachtsvideo für die Daheimgebliebenen auf welchem ich euphorisch Jingle Bells singe und dabei meine Sonnenbrille in Wasser fallen lasse. Während Karime hämisch lacht, springt ein Retter heran und reicht nach der Brille bevor sie im Sog der Wellen fortgespühlt wird. Manchmal passt alles. Vor uns belagern drei wilde Hunde drei nicht so wilde Italiener, welche einen dicken Red Snapper auf einem relativ kleinen Grill brutzeln. Nach endlosen Minuten werden nicht nur die Hunde und Italiener ungeduldig und fangen an sich gegenseitig anzukläffen und rumzuschubsen. Schnell packen wir unsere wiedergewonnen gute Laune ein und machen uns los auf den Weg zu unserem Weihnachtsdinner. Entgegen all meiner Nahrungsideale, ausgezehrt von den letzten Tagen, bestelle ich Massaman Curry mit Hühnchen. Das Lokal ist brechend voll, die Kellner zischen hektisch von Tisch zu Tisch. Wir warten eine halbe Ewigkeit. Endlich kommt ein Curry, mit Tofu. Und schmeckt furchtbar, beziehungsweise scharf, und sonst nach nichts. Ich habe sowieso keinen Hunger und überzeuge – ich, die seit mehr als einem Jahrzehnt nur Tofu futtert – den Kellner glaubwürdig, ich sei auf Soja allergisch und müsse das Essen zurückgeben. Mein Fleischausflug scheitert also kläglich und meine schuldbewussten Gedanken verpuffen sogleich zwischen den explodierenden Raketen des Weihnachtsfeuerwerks, welches Minuten später über unseren Kopfen die Nacht erhellt.
Tag 52 – Ko Tao – Bangkok
Wir buchen den Katamaran zum Festland. Dieser ist zwar teurer, doch schneller, und ich kotze wenn dann schon lieber eine Stunde weniger. An Bord suchen wir uns sogleich einen Platz an Deck an der frischen Luft, einen guten Platz, denken wir, seitlich am Schiff mit großartigem Blick in alle Richtungen. Eine halbe Stunde später klatschen uns die Wassermassen ins Gesicht. Der Katamaran ist so schnell, dass binnen Minuten alles an Deck komplett überschwemmt ist. Mit ganzer Kraft schaukeln wir uns und unser triefendes Gepäck in den hinteren Teil des Decks, wo bereits circa einhundert Menschen kauern und mit gesenkten Köpfen die immer wieder über Deck schwappenden Riesenwellen dieser Achterbahnfahrt ertragen. Alle bibbern vor Kälte. Wir erwischen einen Platz vor der Tür zum Innenraum, hinter welcher es schon verdächtigt nach Erbrochenem duftet. Ich bin nass bis auf die Unterwäsche, halte mich abwechselnd mit dem linken und rechten Arm an einer Stange über meinem Kopf fest, immer solange bis das aus dem Arm gewichene Blut ihn taub werden lässt, und überlege, ob ich das hier - das Schaukeln, die kalte Nässe, die verdammt ungemütliche Haltung, das durchnässte Gepäck - eigentlich noch schlimmer als die Hinfahrt finde. Naja, ich breche nicht, also nein. Ich hocke mich vor eine Treppe. Nach 20 Minuten sind auch meine Füße taub und so hänge ich mich wieder vor die Tür und starre auf das Wasser. 'Bloß nicht brechen' wiederhole ich wie ein Mantra in meinem Kopf. Im Innenraum läuft der Brei bereits wie Flüsschen quer über den Boden. Ob Karime mir wohl die Tüte hält? Ich sehe inzwischen aus wie eine schlotternde, gerupfte Gans, der sehr, sehr kalt ist.
Irgendwann ist es geschafft. In neuen, trockenen Klamotten wird die anschließende 8-stündige Busfahrt nach Bangkok zum Klacks. Ich schlafe die meiste Zeit. Um 21:30 erreichen wir Bangkok und nehmen ein dunkles Zimmer mit Ausblick auf eine Wand im New Siam Guest House für 500 Baht.